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AlOlaf German TAC 2015

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AlOlaf
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 Message 137 of 211
21 June 2014 at 12:13am | IP Logged 
Mein deutscher Austauschpartner hat mich letzten Samstag wieder zum Grillen eingeladen. Diesmal waren viele Mitglieder meines Deutschclubs auch dabei. Obwohl ich kein Partylöwe bin und mich oft bei solchen sozialen Situationen unbehaglich fühle, wurde bei dieser Party viel Deutsch gesprochen und der Abend verlief ziemlich angenehm.

Gegen neun Uhr wollten zwei ältere Frauen nach Hause fahren, aber sie kannten den Weg aus der Nachbarschaft nicht mehr, da es inzwischen dunkel geworden war. Mein Partner und ich sind also in mein Auto gestiegen und in Richtung Autobahn gefahren, gefolgt von den alten Damen. Sobald die Frauen wussten, wo sie waren, lassen wir sie weiterfahren und fuhren wir zurück.

Als wir vor seinem Haus anhielten, stieg mein Bekannter nicht aus, sondern blieb sitzen und fing an, mir von einem ganz intimen Beziehungsproblem zu erzählen, das ihn seit Langem gequält hatte.

Zuerst war ich geschockt. Dann fühlte ich mich erschrocken und geschmeichelt zugleich. Erschrocken, weil ich nicht besonders geschickt beim Umgehen mit Menschen bin und traue mir nicht zu, subtile und komplizierte emotonale Sachen in meiner Muttersprache richtig zu interpretieren, geschweige denn im Deutschen. Geschmeichelt, weil ein Mann, den ich kaum kenne, mir seine innersten Gefühle anvertrauen wollte. Und dass es ausgerechnet ein Deutscher wäre, ein Angehöriger des Volkes, dessen Ruf für Zurückhaltung weltbekannt ist.

Ich weiß nicht genau, wie lange wir im Auto gesessen und geredet haben (oder genauer gesagt, er hat geredet und ich habe zugehört), aber es hat lang genug gedauert, dass seine Frau mein Handy vom Haus anrief, um herauszufinden, was zum Teufel wir im Auto machten, während die anderen Gäste herumstanden und auf uns warteten. Wir gingen zurück ins Haus und alle haben uns mit verblüfften Gesichtsausdrücken gemustert, aber keiner hat den Mut gehabt, um uns Fragen zu stellen. Das war aber unangenehm und anstrengend.

Nach der Party fuhr ich nach Hause, setzte mich auf das Sofa und machte eine merkwürdige Entdeckung: In diesem Moment, zum ersten Mal in meinem Leben, hatte ich überhaupt keine Lust, Deutsch zu sprechen. Ich hoffe, es ist ein vorübergehender Zustand.

Edited by AlOlaf on 21 June 2014 at 3:24am

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AlOlaf
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 Message 138 of 211
22 June 2014 at 6:59am | IP Logged 
Die Ereignisse des letzten Wochenendes haben mich zum Nachdenken gebracht.

Ich bin immer ein introvertierter Mensch gewesen. Als kleines Kind machte ich der Kindergärtnerin und meinen Eltern Sorgen, weil ich mit den anderen Kindern weder sprechen noch spielen wollte. Mit der Zeit gelang es mir, eine Art Bewältigungsstrategie zu entwickeln, damit ich mit den anderen mehr oder weniger erfolgreich umgehen konnte, aber es fiel mir schwer.

Angesichts dieses auffälligen Mangels an gesellschaftlichen Fähigkeiten, scheint es fast absurd, dass ich jetzt eine brennende Leidenschaft für Deutsch aufweise, vor allem für die gesprochene Sprache, deren Verwendung genau die Art von zwischenmenschlichem Kontakt benötigt, die mir schon immer große Schwierigkeiten bereitet hat.

Es gibt mir immer noch ein unbehagliches Gefühl, neue Menschen zu treffen, aber wenn wir uns auf Deutsch verständigen können, ist es für mich irgendwie weniger beängstigend. Ich bemühe mich sehr darum, in Situationen zu gelangen, wobei ich mich mit deutschsprachigen Fremden unterhalten kann, aber wäre die Sprache Englisch statt Deutsch, würde ich mich wohl ebenso sehr darum bemühen, diese Situationen zu vermeiden.

Normalerweise ist der große Nervenkitzel, den ich bei Gesprächen auf Deutsch bekomme, stark genug, um meine Angst zu überwältigen. Aber mein deutscher Bekannters verstörendes vertrauliches Geständnis vom letzten Samstag, das seine Ehe zerstören könnte, falls seine Frau davon erfährt, war stärker als der Nervenkitzel.


Edited by AlOlaf on 22 June 2014 at 7:59am

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Josquin
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 Message 139 of 211
22 June 2014 at 1:07pm | IP Logged 
AlOlaf wrote:
Der Austausch "Gitarrenunterricht gegen deutsche Konversation" geht weiter. Am Sonntag habe ich meinem Partner ein Lied seiner Lieblingsband, AC/DC, beigebracht. Obwohl mein "Schüler" ein absoluter Anfänger ist, hat er schon zwei E-Gitarren und einen Verstärker, die alle von professioneller Qualität sind. Es stellte sich jedoch heraus, dass sein teurer Verstärker zu sauber klingt, um einen Ton zu produzieren, der dem des Gitarristen von AC/DC ähnelt. Also habe ich ihm eines meiner mächtigsten Verzerr-Pedale geliehen, das den erwünschten Klang einer Kettensägen-Schlacht in einer Kegelbahn liefert. Nun bleibt ihm nichts anderes übrig, als zu üben. Mal sehen, ob er das tut.

Meinerseits ist dieser Austausch ein Augenöffner. Ich hatte erwartet, dass ich für den Unterricht nur wenige deutsche musikalische Begriffe kennen würde, denn ich habe bisher keinen Grund gehabt, sie zu lernen. Aber bei unsereren Gesprächen überrascht es mich, wie häufig ich Schwierigkeiten habe, über ganz alltägliche Themen zu sprechen. Es kommt oft vor, dass ich zum Beispiel einen Gegenstand als "das Ding da" oder "das metallische Ding" bezeichne, weil ich das richtige Wort nicht griffbereit habe. Meistens handelt es sich um Wörter, die ich zwar kenne, aber nicht sofort zum Ausdruck bringen kann, aber das ist nicht immer der Fall. Manchmal kenne ich das Wort einfach nicht.

Das beunruhigt mich. Seit Jahren bemühe ich mich darum, Deutsch zu erlernen, oder bei dem Versuch zu sterben. Früher habe ich Aufnahmen gemacht und die Teilnehmer dieses Forums nach ihrer Meinung darüber gefragt, weil ich dachte, dass ich eines Tages eine muttersprachliche Aussprache erzielen könnte, wenn ich nur hart genug daran arbeiten würde. Dies hat sich inzwischen als Schnapsidee erwiesen. Es wäre mir ebenso gut möglich, zu fliegen. Es ist merkwürdig, dass ich einerseits innerlich weiß, dass ein solches Ideal unerreichbar ist, aber andererseits entmutigt und enttäuscht bin, wenn ich es nicht erreiche. Bei mir ist die Fahrt von Größenwahn zu Minderwertigkeitskomplex ein kurzer Ausflug.

Es wäre in jedem Fall gut, wenn ich noch irgendwelche Fortschritte machen könnte, aber ohne eine Reise in ein deutschsprachiges Land, auf die ich mich vorbereiten und freuen kann, fällt es mir schwer, die notwendige Motivation zu finden, um weiter intensiv an Verbesserungen zu arbeiten. Ich schätze, dass ich mir nur noch eine weitere große europäische Reise leisten kann, und ich war noch nie in Skandinavien. Bei meinem letzten Sprachurlaub in Deutschland war ich so hellauf begeistert, mit den Leuten reden zu können, dass ich auf die Idee gekommen bin, das Gleiche in Skandinavien zu versuchen.

Zu diesem Zweck entschloss ich mich, Dänisch zu lernen. Ich hatte damit gerechnet, dass ich diese Sprache während meiner Traumreise durch ganz Skandinavien verwenden würde, um mich mit den Einheimischen verständigen zu können. Der Haken daran: Dänisch ist verdammt schwierig. Ich lerne die Sprache seit anderthalb Jahren, und gerade erst habe ich ein Niveau erreicht, das etwa dem eines Neandertalers mit einem Sprachfehler entspricht. Wenn ich mit der Reise warte, bis ich fit in Dänisch bin, werde ich wohl den Friedhof erreichen, bevor ich in Kopenhagen ankomme. Dennoch kann ich die Idee nicht loslassen. Skandinavien geht mir nicht aus dem Sinn.

Das Problem habe ich mit fast allen meinen Sprachen. Sogar im Englischen, das ich eigentlich fließend beherrsche, suche ich ständig nach den alltäglichsten Wörtern. Neulich musste ich tatsächlich nachschlagen, was "Steckdose" auf Englisch heißt. Von meinen anderen Sprachen ganz zu schweigen... Du bist also nicht allein mit deinem Problem. Ich glaube eher, so geht es jedem, der im Selbststudium Sprachen lernt.
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Josquin
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 Message 140 of 211
22 June 2014 at 1:11pm | IP Logged 
AlOlaf wrote:
Vorgestern Nachmittag hatten wir eine weitere deutschsprachige Gitarrenstunde und dabei wurde mir schnell klar, dass mein deutscher “Schüler” tatsächlich geübt hatte. Nachdem ich mich von der Überraschung erholt hatte, brachte ich ihm den behrümten Riff von Deep Purples "Smoke on the Water" bei. Er schien davon begeistert zu sein. Am Abend schickte er mir sogar ein Video von sich selbst beim Spielen dieses Riffs. Nach dem Klang der Aufnahme zu urteilen, hat er dabei sehr laut gespielt. Ich hoffe, seine Frau macht mich nicht dafür verantwortlich.

Ich freue mich zwar sehr darüber, dass mein deutscher Bekannter darauf besteht, dass wir uns ausschließlich auf Deutsch unterhalten, aber bei unserem Treffen vor einer Woche war ich der Herausforderung leider nicht vollständig gewachsen. Während ich meinem Partner irgendeine Gitarrentechnik zu zeigen versuchte, musste ich etliche Male zögern, weil ich nicht wusste, wie man die Bestandteile einer E-Gitarre auf Deutsch nennt. Es war mir peinlich und hat den Unterricht einigermaßen erschwert. Um solche Schwierigkeiten diesmal zu vermeiden, hat mir mein Bekannter freundlicherweise ein Foto einer E-Gitarre zur Verfügung gestellt, auf dem die verschiedenen Einzelteile mit ihren jeweiligen deutschen Namen gekennzeichnet sind. Jetzt muss ich nur noch die deutsche musikalische Terminologie lernen.

Ich bin dankbar für diesen Austausch. Ich habe bemerkt, dass ich in letzter Zeit häufiger unbewusst auf Deutsch denke. Ich habe wieder angefangen, meine deutsche Aussprache zu trainieren und deutsche Filme anzusehen. Mein Partner hat mir einen Film geliehen, den ich noch nicht gesehen habe, der “Tadellöser & Wolff” heißt. Ich glaube, der Hauptdarsteller ist der rothaarige Schauspieler, der die Rolle des Zweiten Offiziers in “Das Boot” spielte (“U-Boot Spezial-Cocktail. Neidisch?”). Ich bin darauf gespannt.

Fast ohne Fehler...
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Josquin
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 Message 141 of 211
22 June 2014 at 1:17pm | IP Logged 
AlOlaf wrote:
Mein deutscher Austauschpartner hat mich letzten Samstag wieder zum Grillen eingeladen. Diesmal waren viele Mitglieder meines Deutschclubs auch dabei. Obwohl ich kein Partylöwe bin und mich oft in solchen sozialen Situationen unbehaglich fühle, wurde bei dieser Party viel Deutsch gesprochen und der Abend verlief ziemlich angenehm.

Gegen neun Uhr wollten zwei ältere Frauen nach Hause fahren, aber sie kannten den Weg aus der Nachbarschaft nicht mehr, da es inzwischen dunkel geworden war. Mein Partner und ich sind also in mein Auto gestiegen und in Richtung Autobahn gefahren, gefolgt von den alten Damen. Sobald die Frauen wussten, wo sie waren, ließen wir sie weiterfahren und fuhren (wieder) zurück.

Als wir vor seinem Haus anhielten, stieg mein Bekannter nicht aus, sondern blieb sitzen und fing an, mir von einem ganz intimen Beziehungsproblem zu erzählen, das ihn seit Langem gequält hatte.

Zuerst war ich geschockt. Dann fühlte ich mich erschrocken und geschmeichelt zugleich. Erschrocken, weil ich nicht besonders geschickt im Umgang mit Menschen bin und mir nicht zutraue, subtile und komplizierte emotionale Sachen in meiner Muttersprache richtig zu interpretieren, geschweige denn auf Deutsch. Geschmeichelt, weil ein Mann, den ich kaum kenne, mir seine innersten Gefühle anvertrauen wollte. Und dass es ausgerechnet ein Deutscher wäre, ein Angehöriger des Volkes, dessen Ruf für Zurückhaltung weltbekannt ist.

Ich weiß nicht genau, wie lange wir im Auto gesessen und geredet haben (oder genauer gesagt, er hat geredet und ich habe zugehört), aber es hat lang genug gedauert, dass seine Frau mich vom Haus aus auf meinem Handy anrief, um herauszufinden, was zum Teufel wir im Auto machten, während die anderen Gäste herumstanden und auf uns warteten. Wir gingen zurück ins Haus und alle haben uns mit verblüfften Gesichtsausdrücken gemustert, aber keiner hat den Mut gehabt, _ uns Fragen zu stellen. Das war (sehr) unangenehm und anstrengend.

Nach der Party fuhr ich nach Hause, setzte mich auf das Sofa und machte eine merkwürdige Entdeckung: In diesem Moment, zum ersten Mal in meinem Leben, hatte ich überhaupt keine Lust, Deutsch zu sprechen. Ich hoffe, es ist ein vorübergehender Zustand.

Das hört sich nach einer sehr unangenehmen Erfahrung an, AlOlaf! Ich hoffe, du hast sie mittlerweile verdaut.
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Josquin
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 Message 142 of 211
22 June 2014 at 1:20pm | IP Logged 
AlOlaf wrote:
Die Ereignisse des letzten Wochenendes haben mich zum Nachdenken gebracht.

Ich bin immer ein introvertierter Mensch gewesen. Als kleines Kind machte ich der Kindergärtnerin und meinen Eltern Sorgen, weil ich mit den anderen Kindern weder sprechen noch spielen wollte. Mit der Zeit gelang es mir, eine Art Bewältigungsstrategie zu entwickeln, damit ich mit den anderen mehr oder weniger erfolgreich umgehen konnte, aber es fiel mir schwer.

Angesichts dieses auffälligen Mangels an sozialen Fähigkeiten, scheint es fast absurd, dass ich jetzt eine brennende Leidenschaft für Deutsch aufweise, vor allem für die gesprochene Sprache, deren Verwendung genau die Art von zwischenmenschlichem Kontakt benötigt, die mir schon immer große Schwierigkeiten bereitet hat.

Es gibt mir immer noch ein unbehagliches Gefühl, neue Menschen zu treffen, aber wenn wir uns auf Deutsch verständigen können, ist es für mich irgendwie weniger beängstigend. Ich bemühe mich sehr darum, in Situationen zu gelangen, in denen ich mich mit deutschsprachigen Fremden unterhalten kann, aber wäre die Sprache Englisch statt Deutsch, würde ich mich wohl ebenso sehr darum bemühen, diese Situationen zu vermeiden.

Normalerweise ist der große Nervenkitzel, den ich bei Gesprächen auf Deutsch bekomme, stark genug, um meine Angst zu überwältigen. Aber das verstörende vertrauliche Geständnis meines deutschen Bekannten vom letzten Samstag, das seine Ehe zerstören könnte, falls seine Frau davon erfährt, war stärker als der Nervenkitzel.

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AlOlaf
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 Message 143 of 211
22 June 2014 at 9:53pm | IP Logged 
Danke, danke, danke, Josquin! Nirgendwo anders kann ich derart gründliche Korrekturen bekommen. Das hilft mir enorm. Du bist der Beste!
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Josquin
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 Message 144 of 211
22 June 2014 at 11:33pm | IP Logged 
Nichts zu danken. Gern geschehen! :)


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